Überpünktlich lande ich am Fährhafen. Leider gibt es hier keine gute Beschilderung. Man muß suchen und sich durchfragen. Damit hätte ich nicht gerechnet. Immerhin ist dies einer der wichtigsten Häfen am Mittelmeer.

So richte ich mich nach den Farben der Fährgesellschaft. Mein Schiff der ANEK Lines sollte blau-gelb sein, ich werde es schon finden. Wenig später stehe ich dann in einer Autoschlange, von der ich allerdings nicht mit Sicherheit weiß, ob es die richtige ist. Es herrscht ein ziemliches Durcheinander. Ob das hier jeden Tag so ist? Von rechts und links drängeln sich LKWs und Autos an mir vorbei.

Dann plötzlich winkt mich ein Uniformierter heran und gestikuliert in Richtung einer Fähre. Mein Ticket will er nicht sehen. Auch das von der Fährgesellschaft ausgegebene Schild TRIEST, welches ordnungsgemäß hinter meiner Windschutzscheibe steht, sieht er anscheinend nicht. Gerade noch rechtzeitig bemerke ich, daß dies das falsche Schiff ist.

Schließlich schaffe ich es doch noch. Ich rate einfach mal, daß es die „Lefka Ori“ sein wird. Zum einen ist es das einzige Schiff in gelbblauen Farben, zum anderen stehen in der Schlange viele Autos mit deutschen Kennzeichen.

Vor mir wartet eine kleine Gruppe Motorradfahrer darauf, an Bord zu kommen.

Erst als ich mit dem SMART an Bord bin, fragt man nach meinem Ticket. Auch die letzte Lücke des Laderaums wird genutzt. Meinen Wagen parke ich auf Anweisung des Personals quer. Eigentlich ärgerlich, das ich für so ein kleines Auto den vollen Preis bezahlen muß. 160€ habe ich bezahlt, inklusive der Deckspassage für mich.

Ich denke aber, der Preis geht in Ordnung. Zumal man bedenken muß, wieviel Zeit und Sprit man durch eine solche Fährfahrt spart. Ich werde 22 Stunden unterwegs sein und spare zwei Tage Fahrt durch Bulgarien, Rumänien und Ungarn.

In sämtlichen Korridoren und auch an Deck sind Schlafsäcke ausgebreitet. Die Passagiere sparen sich so die Kosten für eine Kabine. Auch ich habe meinen Schlafsack dabei.

Ursprünglich sollte dies ja auch eine Campingreise werden. Meine Ausrüstung inklusive Zelt schleppe ich jetzt schon seit ein paar Wochen durch die Gegend. Ich habe sie bislang nicht gebraucht. Es hat sich halt nie die Gelegenheit ergeben, draußen zu übernachten. Beziehungsweise die Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels oder privat waren so preiswert, daß ich mir nicht die Mühe machen wollte, nach einem Campingplatz zu suchen.

Ich bin gespannt, ob das Wetter hält und ich vielleicht an Deck unter den Sternen schlafen kann.

Bei einem Rundgang über die Decks sehe ich auch die Motorradfahrer wieder, die ich später noch kennenlernen soll. Es gibt Restaurants (SB oder a la Carte), einen Swimmingpool, eine Bar, Kino und Geschäfte.  Auffällig viele Rucksackreisende gibt es an Bord.

Mein besonderes Augenmerk gilt den Sicherheitsvorkehrungen, denn griechische Reedereien haben ja nicht gerade den besten Ruf. Ich erinnere mich an eine Fernsehdokumentation, die auf Mängel hinwies und Untergangsszenarien beschrieb. Soweit ich das aber als Laie erkennen kann, ist hier alles in Ordnung. Die Sicherheitsausrüstung ist neu und  in einem guten Zustand. Schilder und Hinweise finden sich an jeder Ecke. Alles scheint in Ordnung.

Mit 20 Minuten Verspätung legen wir vom Kai ab. Ich sitze in der Sonne auf dem obersten Deck und betrachte das Geschehen. Wir entfernen uns vom bunten Pier, über dem Möwen kreisen. Viele kleinere Fähren liegen am Kai oder bewegen sich durchs Hafenbecken. Je kleiner die Schiffe sind, desto schlechter scheint ihr Zustand. Ich bin doch froh, nicht die billigste Reederei gewählt zu haben.

Schon seit zwei Stunden liege ich jetzt auf meinem Schlafsack und genieße die Sonne und den Wind an Deck. Ich bin fast alleine. Weiter unten in Richtung Pool und der Restaurants tummeln sich die Menschen und ich frage mich, warum sich keiner zu mir traut?

Kurz danach bekomme ich meine Erklärung. Es riecht stark nach Essen. Ich habe anscheinend einen Platz nahe der Küchenentlüftung gewählt. Egal, ich ziehe die Ruhe dieses Ortes vor und vielleicht dreht der Wind ja auch.

Ich verbringe den Tag lesend und schaue der Küste nach. Es überrascht mich, wieviel unbewohnte Buchten es an der Adria gibt. Mehrere Stunden haben wir uns ein Wettrennen mit einem anderen Schiff geliefert. Ich glaube, wir haben verloren. Ganz langsam zieht es am Horizont an uns vorbei.

Mit dem Wetter sollte ich Recht behalten. Der Wind kommt jetzt aus nördlicher Richtung. Allerdings bringt er auch Wolken und Regen mit sich. Ein Sturm zieht auf. Ich stelle mich auf die windabgewandte Seite der Fähre und betrachte das Naturschauspiel. Den Sonnenuntergang durchzieht ein Gewitter. Es ist kalt. In einiger Entfernung gehen Blitze nieder, und die Wolkenformationen ringsum leuchten für einen Augenblick schaurig gelb und weiß, bevor sie dann wieder in der Nacht verschwinden und es dunkel ist.

Mit dem Schlafen an Deck wird das dann heute wohl nichts. So tue ich es allen anderen gleich, breite meinen Schlafsack im Treppenhaus aus. Typisch deutsch denke ich, es erinnert mich an das Markieren des Strandstuhls mit einem Badetuch. Neben mir sitzt eine türkische Familie, die auf dem Teppichboden, Pappteller mit Speisen ausbreitet. Genüsslich schlürft der Vater einen heißen Tee. Bald liegen in jedem Winkel Matten und Gepäck. Man scheint einander zu vertrauen, läßt Koffer unbeaufsichtigt stehen.

Seit vielen Stunden schon kann ich kein Land mehr sehen. Ich war noch nie auf der Adria unterwegs, und mir war nicht bewußt, daß die Ufer nicht mehr zu sehen sein würden. Nicht das ich Angst hätte, es ist einfach nur ungewohnt.

Beim Abendessen im Restaurant sitze ich mit einem griechischen Rentner am Tisch. Er spricht mich auf mein Auto an, und es folgt eine interessante Lebensgeschichte, der ich aufmerksam lausche. Seit langem wohne er nun schon in Düsseldorf. Er wollte nur ein paar Jahre bleiben, aber schließlich hat er geheiratet und eine Familie gegründet. Autoschlosser ist er von Beruf und hat viele Jahre im Führerhaus eines LKWs verbracht und so die Welt gesehen. Bis nach Afghanistan ist er früher gefahren und hat Maschinenteile geliefert. Seine Augen funkeln und jetzt, da er richtig in Fahrt gekommen ist, lerne ich noch Einiges über die Vorzüge Griechischer Frauen und die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Oliven. Nur im Sommer fahre er in die Heimat. Permanent zurück möchte er nicht, denn dann würde er seine Kinder zu selten sehen. Außerdem gefalle ihm das Rheinland mittlerweile. Schließlich sei er schon seit 33 Jahren dort, hat dort auch ein Reihenhaus.

Die Preise auf dem Schiff sind akzeptabel. Mein Abendessen kostet 16,70€.

Im großen und ganzen ist eine solche Fährfahrt wirklich angenehm. Wenngleich mich auch ein paar Dinge stören. So zum Beispiel der Dreck. Die Toiletten werden während der Fahrt anscheinend nicht gereinigt. Auch weht Unrat über die Decks. Es gibt zu wenige Mülltonnen und die sind schlecht platziert, man muß sie suchen.

Schon eine ganze Weile sitze ich unter einem Vordach an Deck und beobachte das Wetter, da stellt sich ein bärtiger Motorradfahrer in Lederkluft an die Reling neben mir. Zu gerne würde ich wissen, was er erlebt hat, und so frage ich ihn.

Tom ist 40, kommt aus Regensburg, gibt mir gerne Auskunft. Nur wolle er vorher „Nachschub“ holen. Wenige Augenblicke später steht er mit einer Kiste Dosenbier wieder neben mir. Schon zischt es, und er reicht mir mit einem Lächeln eine Büchse.

Er ist seit 14 Tagen unterwegs mit seinen zwei Freunden. Die haben den Uzo heute Nachmittag nicht so gut vertragen wie er, schlafen jetzt schon tief und fest unter Deck. Über Östereich und Italien sind sie nach Griechenland gekommen, ständig auf der Suche nach kurvenreichen Straßen und Frauen. Jetzt geht es wieder nach Hause. Nein, verheiratet ist er natürlich nicht, „ich bin ja nicht blöd...“

Aufmerksam höre ich zu. Erfahre Details über die nötige Ausrüstung und deren Preise. Ich lerne, warum Motorradwartung ein wichtiger Teil des Erlebnisses ist und, daß Mädels voll auf Tattoos und Chopper abfahren! Kein Porsche oder Bankkonto könne dagegen anstinken!

Erst nach ein paar Stunden sage ich ihm, wieso mich all das so sehr interssiert.

Meine Reise soll eine Weltumrundung in Etappen werden. Diese Erste durch Osteuropa musste ich mangels Motorrad per SMART fahren, aber den Rest werde ich auf einer Enduro zurücklegen. Schon seit einen halben Jahr plane ich und habe dabei einen festen Termin im Auge. Im März 2003 starte ich von Vancouver aus durch Nord Amerika.

Erst gegen 24.00 Uhr finde ich Ruhe und schlafe ein. Ein Deck tiefer feiert eine Schulgruppe bis in die tiefe Nacht. Sie spielen Gitarre, tanzen ausgelassen auf ihren Matratzen und Schlafsäcken, trinken Bier und rauchen Gras. Es wird eine dieser Nächte sein, an die sie sich sicher ihr ganzes Leben erinnern werden.

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