Das Pirin- und Rilagebirge

Um 08.00 Uhr sitze ich im Frühstücksraum des Hotels Pirin und trinke einen Kaffee. Ich bin von meinem gestrigen Mahl noch so satt, dass ich keinen Bissen 'runter kriege. Lieber genieße ich den Blick auf die Berge. Wolken ziehen durch das Städtchen zu den Gipfeln hinauf.

Heute will ich zum Rila Kloster, welches ungefähr 100 km entfernt liegt. Das Kloster ist der bulgarische Kulturschatz. Aufgenommen in die Liste der wichtigsten Denkmäler der Welt, ist es ein Magnet für Touristen aus dem In- und Ausland.Wildrich Weltreise Rila Kloster

Zunächst einmal muss ich wieder ins Tal hinab zur Hauptstraße. Diese ist in einem sehr guten Zustand, der Asphalt ist neu. Auch hier sehe ich die Flagge der Europäischen Union. Mir war nicht bewusst, wie viele Steuergelder ins Ausland wandern.

Heute ist mein erster richtiger Regentag. Nicht, dass ich davon direkt betroffen wäre, aber ich fahre  dem Regen anscheinend immer hinterher. Die Straße ist klitschnass, und da, wo der Boden noch warm ist, steigt Dampf empor. Alles ist glänzend grün und wartet darauf, von der Sonne wieder getrocknet zu werden.

Wie ich so in Richtung Kloster fahre, mache ich mir Gedanken darüber, was in den letzten paar Tagen passiert ist. Ich bin ein wenig wehmütig, denn es ist nun Halbzeit. Zumindest was die Kilometer betrifft, bin ich auf der Rückreise. Es ist schon faszinierend, wie intensiv man lebt, wenn man reist. Meine erste Nacht im Kloster von Pelplin ist erst 10 Tage her, aber es scheint mir wie eine Ewigkeit, wenn ich bedenke, was seit dem alles geschehen ist.

Nach etwa zwei Stunden Fahrt durch die Berge erreiche ich das Kloster, das heute wunderschön in den Wolken liegt. Nieselregen! Um mich herum eine ruhige angenehme Stimmung und das trotz der vielen Menschen. Keine Frage, dies ist ein spiritueller Ort. Dieses bulgarische Nationalheiligtum lockt viele einheimische Besucher an.

Das Kloster in seiner jetzigen Form ist nicht ursprünglich, da es mehrere Male abgebrannt ist. Aber auch so ist es imposant und alt. Einige Bauten sind aus dem 11. Jahrhundert.

Es ist Mittagszeit und aus der Klosterküche duftet es. Ich rieche Paprikaschoten, und schon wieder bekomme ich Appetit. Vor den Klostermauern gibt es diverse Restaurants, aber ich will heute lieber nicht zu Mittag essen.

Das Kloster beherbergt neben den Mönchszellen, der imposanten Kirche und den Wirtschaftsgebäuden auch noch ein Museum. In diesem werden Ikonen und andere Gegenstände des Klosteralltags ausgestellt.

Ein filigran geschnitztes Holzkreuz aus dem 14. Jahrhundert ist der Schatz. Ein Mönch hat 12 Jahre gebraucht, um es zu schnitzen bzw. mit einer Nadel zu stechen.

Am aufregernsten finde ich aber die diversen alten Bücher und Lehrgegenstände. Nicht nur Bibeln gibt es, sondern auch weltliche Literatur, denn dieser Ort war auch die erste weltliche Lehrstelle Bulgariens. So wird unter anderem ein Globus gezeigt, der 1836 aus Leder gefertigt wurde. Die darauf abgebildete Welt, in der das Mittelmeer eben nicht in der Mitte steht, ist den heutigen Globen  und Karten sehr nahe. Ich erkenne Hawaii sowie die Hudson Bay in Kanada.Wildrich Weltreise Rila Kloster

Nach einem Spaziergang durch die Abtei setzte ich mich vor den Toren in ein Cafe. Draußen regnet es nun in Strömen. Später lichten sich die Wolken, und erst jetzt kann ich die Umgebung des Klosters sehen. Die steil heraufragenden Berge sind bewaldet. Hier und da sehe ich schon ein wenig blauen Himmel, es klärt auf.

Nach einigen Stunden fahre ich wieder entlang des kleinen Flusses in Richtung des Dorfes Rila. Von dort weiter nach Bansko, wo ich am frühen Nachmittag eintreffe und Mittagsschlaf halte.

Dann folgt ein weiterer Rundgang durch das Städtchen. Es gibt einen sehr malerischen Teil, einen alten Ortskern. Alte Bauernhöfe sind umgeben von steinernen Mauern. Diese verlaufen asymmetrisch und bilden ein natürliches Labyrinth. Häuser und Scheunen sind aus Bruchstein gebaut. Alles wirkt sehr urig, verwachsen und klein. Es gibt viel dunkles Holz, Blumenbänke und  Kopfsteinpflasterstraßen.

Ein Hund steht schwanzwedelnd vor mir und will offensichtlich gestreichelt werden. Nach einer Weile lässt er nicht mehr von mir ab. Er folgt mir kreuz und quer durch das Viertel, und ich frage mich, ob er in diesem Wirrwarr wieder nach Hause finden wird.

Überall sehe ich trocknenden Tabak, der aufgespießt auf einem Draht unter einer Plane eines Holzgestells vor Regen geschützt wird. Er welkt vor sich hin und verströmt einen angenehmen, süßlichen Duft.

Der Hund folgt mir immer noch. Als ich mich in ein Cafe setzte, wartet er auf der anderen Straßenseite, bis es weiter geht.

Ein alter Reisebus fährt die Straße hinauf und hält in Sichtweite. Dem Schild in der Windschutzscheibe entnehme ich, dass er die Verbindung Bansko-Sofia fährt. „Mein“ Hund läuft auf die Aussteiger zu und sucht sich ein neues Opfer. Plötzlich sitze ich in einem Schwarm Fliegen, ein Zeichen aufzubrechen. Wildrich Weltreise unterwegs in Bulgarien

In meinem wunderschönen Hotel Pirin gibt es zur Zeit nur wenige Gäste. Wie ich überhaupt feststelle, dass hier nur wenige Touristen unterwegs sind. Nur vereinzelt sehe ich ausländische Gesichtszüge.

Komisch, dieses Land macht es Gästen doch so einfach. Als Pauschalurlauber hat man ja noch nicht mal die lange Anfahrt in Kauf zu nehmen, fliegt stattdessen in wenigen Stunden mit dem Flugzeug ein.

Nach einem ausgedehnten Saunabesuch gehe ich noch einmal auf Streife durch die Stadt. Ich bin fasziniert von den vielen gemütlichen Kneipen. Manche haben nur fünf oder sechs Tische, es sind reine Familienbetriebe. Der Sohn mimt den Kellner, Mutter steht in der Küche und Vater sitzt hinter dem Tresen oder zapft Bier.

Ich habe mich heute für ein anders Lokal entschieden. Das fünfte auf der rechten Seite sollte es sein, eine gute Wahl, wie sich später herausstellt. Ich sitze in einer kleinen Scheune in einem Hinterhof. Zu meiner linken tummeln sich Kaninchen in einem Laufstall. Possierlich schauen sie mümmelnd in meine Richtung. Nein, heute esse ich vegetarisch!

Die flackernden Kerzen an der gemauerten Wand werfen ein schönes Licht in den gemütlichen Raum. Ich kann gerade noch die Speisenkarte lesen. Ein Hirschgeweih ziert den Giebel. Alles ist so, wie in einem Reiseprospekt beschrieben. Es ist die Wirklichkeit, und außer mir ist kein Tourist weit und breit. Ich habe das ganze Restaurant für mich allein.

Noch, denn ich bin mir sicher, „sie“ werden kommen. In ein paar Jahren, wenn sie sich  an der Türkei und Griechenland satt gesehen haben.

Ich tagträume, stelle mir vor, wie Horden Deutscher Touristen über dieses Lokal herfallen. Weiße Socken und schreiende Kinder so weit das Auge reicht. Sie bestellen Bratwurst, weil sie mit dem Schopskasalat und der schrumpeligen Paprika nichts anfangen können.

Nein, im ernst, schuld ist der Schnaps, der jedem Essen zuvorkommt. Wie schnell er doch wirkt!

Salat und Suppe, Kartoffeln mit Käse überbacken, Pilzspieße und Paprika. Dazu eine Flache Merlot. Leichte Kost ist das nicht, aber ich rede mir ein, dass der Gemüseanteil des Salates für die notwendigen Vitamine und Nährstoffe sorgen wird.

Ich hatte mir ganz fest vorgenommen, heute kein Dessert zu mir zu nehmen. Ich bin auch papp satt, aber aller guten Vorsätze zum Trotz bitte ich den Kellner, mir ein Dessert auszusuchen. Ich lasse mich überraschen.

Der Mann hat Geschmack! Pfannkuchen gefüllt mit Joghurt und Honig. Ein Traum!

Die Küche in diesem Land ist sehr fettreich, wahrscheinlich auch aufgrund dessen so schmackhaft.

Wer eine Diät im Sinne hat, der ist hier sicherlich fehl am Platz.

Daheim in Deutschland kenne ich jemanden, der bestellt Spaghetti Bolognese “aber bitte mit Tomatensoße und  Spiralnudeln!“. So jemanden würde es hier sehr gut gehen, denn alle Gerichte werde separat von einander bestellt. Das Fleisch, die Beilage und die Garnitur kommen auf vielen kleinen Tellern, von denen man dann isst.

Heute gibt es keine Livemusik, sondern Volkslieder aus dem Lautsprecher. Die Kaninchen hoppeln wild umher. Hat jemand etwas bestellt?

Eine Katze will von mir gefüttert werden, aber heute bleibe ich hart. Wildrich Weltreise unterwegs in Bulgarien

Auf meiner gesamten Reise habe ich noch keine Andenken gekauft. So soll es auch bleiben. Lieber gebe ich das Geld für Speisen und schöne Erinnerungen aus. Das scheint mir auf Dauer mehr wert, als der sonst vielleicht obligate Aschenbecher mit Hintergrundfoto.

Der guten Tropfen 1998 Melnik hat 12% und wird mich wieder gut schlafen lassen. Man sagte mir, dass die Thraker, welche hier vor langer Zeit siedelten, die ersten Europäischen Weinbauern gewesen sind.

 

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