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 Eine Fahrt quer durch Bulgarien

Um 07.30 Uhr wache ich auf. Sonnenstrahlen fallen durch das Balkonfenster direkt auf meine Augen und blenden. Ich habe tief und fest geschlafen, der Rotwein hat gewirkt.

Da mein Wäsche auf dem Balkon noch nicht ganz trocken ist, werde ich noch ein paar Stunden in der Stadt bleiben, bevor  ich mich auf den Weg Richtung Süden mache.

In der Morgensonne gehe ich spazieren. Es herrscht geschäftiges Treben. Die Menschen gehen zur Arbeit. Ich aber habe noch zehn Tage Urlaub, und bei diesem Gedanken fühle ich mich sehr wohl.

Die ganze Stadt ist von steilen Stiegen durchzogen. Kopfsteinpflasterwege ziehen in engen Serpentinen um die Häuser. Ich stelle mir vor, wie vor noch nicht all zu langer Zeit auch hier Eselskarren mit ihrem schnauzbärtigem Besitzer lang gezogen sein müssen.

Veliko Tarnovo hat sich in den letzten Jahren sehr auf Touristen eingestellt. Das fällt aber nicht unangenehm auf. Die Infrastruktur ist komplett vorhanden, aber außer wenigen englischen und französichen Stimmen habe ich gestern und heute keine Touristen gehört. Ich empfinde das als sehr angenehm. Sicherlich wird sich das in den nächsten Jahren ändern, denn das Land hat eine Menge zu bieten. Nicht zuletzt ein exzellentes Preis-Leistungsverhältnis.

Bulgarien Veliko Tarnovo Wie Wurzeln, kleben die Häuser an den Hügeln um die Stadt. Zahlreiche Künstler verewigen die Motive.

Die sehr freundlichen Mitarbeiter des Fremdenverkehrsamtes haben mir auch heute geholfen. Ich habe beschlossen, nicht nach Sofia, sondern direkt nach Bansko in das Pirin Gebirge zu fahren. Dort will ich drei Nächte bleiben und Ausflüge in die Umgebung machen.

Sofia selber sei nicht sicher für mein Auto! Auch seitens der Bulgaren werde ich immer wieder davor gewarnt wie gefährlich es im Land zur Zeit sei.Vor der Abfahrt will ich aber noch frühstücken. Es gibt heute morgen deftige Kartoffelpfannkuchen mit Käse und Tomaten. Sehr lecker, aber nicht gerade gesund. Interessanter Weise steht zum Thema Frühstück nichts in meinem Reiseführer. Ich frage mich, ob es hier vielleicht keine Frühstückskultur gibt?

Zuweilen kommt es immer wieder zu kleinen Mißverständnissen. Immer dann, wenn ein Bulgare den Kopf schüttelt -was ja bedeutet-, und nickt, um zu verneinen. So zum Beispiel eben, als ich der Kellnerin gestikulierte, daß ich gerne die Rechnung hätte. Sie schüttelte den Kopf! Ich stutzte, überlegte und merkte dann, daß sie verstanden hatte.

Bulgarien Veliko Tarnovo Man muß gut zu  Fuß sein. Treppen und Stiegen liegen immer auf dem Weg. In betrunkenem Zustand eine Tortour, wie ich am eigenen Leibe erfahren mußte.

Nun noch fix zum Friseur (2€). Ich habe beschlossen, jetzt doch den langen, aber schöneren Weg nach Bansko zu nehmen. Ich habe noch neun Stunden Tageslicht, und das sollte in jedem Fall reichen.

Südlich von Veliko Tarnovo bewege ich mich jetzt schnell durch ein grünes Gebirge. Noch immer gut ausgebaut, führt die Straße jetzt durch einen dicht bewachsenen Laubwald, der ab und an mit Blumenwiesen durchzogen ist. Rechts- und Linkskurven, kleine Tunnels zwischen den Serpentinen und Parkplätze laden zu Rast ein. Ich hätte einkaufen sollen, dann könnte ich heute ein gutes Picknick machen. Kleine Wasserfälle schießen aus den Felsen.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde habe ich die Berge verlassen, und befinde mich nun in einer Tiefebene. Auf ausgedehnten Weiden stehen vereinzelt Bäume, unter denen Pferde Schatten suchen.

Meine Fahrt heute führt durch verschiedene Landschaften. Die kleineren Straßen sind zum Teil in einem erbärmlichen Zustand. Nach ein paar Stunden geht es auf eine Autobahn, die sehr gut und schnell zu befahren ist. Ab und an werden ausländische Fahrer von der Polizei angehalten.

 

Bulgarien Hirten gibt es in jedem Dorf.

Noch ca. 100 km nach Bansko, und ich fahre wieder in die Berge. Diesmal sind es die Rhodopen, deren Gipfel bis zu 2600 Meter hoch sind. Bansko selber liegt auf 930 Meter. Diese Landschaft ist wunderschön, zuweilen recht ursprünglich. Ich frage mich, ob die Alpen vor 100 Jahren ähnlich ausgesehen haben? Schafhirten sind zahlreich, Pferdewagen die Norm, und alle Frauen tragen Kopftücher. Jedesmal, wenn ich ein Foto machen will, und frage, ob das in Ordnung sei, wird mit dem Kopf geschüttelt, was -wie der aufmerksame Leser schon erfahren hat- „ja“ bedeutet.

Anders, als man es aus den Alpen kennt, ist dieses Gebirge komplett mit Wald bewachsen. Almen sehe ich keine. Frauen sitzen am Straßenrand und verkaufen eimerweise Waldhimbeeren und Pilze. Es ist schon 17.30 Uhr, und ich frage mich, ob sie alle noch Abnehmer finden werden?

Die Bauern hier nutzen einfachste Werkzeuge. Das Gras wird mit Sensen gemäht und mit Forken gewendet. Ich fahre durch Kilometer weite Weinberge. Tabak wird auch angebaut. Dies muß ein sehr fruchtbares Land sein. Alles ist tiefgrün.

Als ich am Straßenrand eine Rast mache, kommt ein Schäfer mit seiner Herde des Weges. Er hat keinen Hund dabei, nur ein Stock hilft ihm. Ich beobachte ihn eine Weile.

Mir war nicht bewußt wie arbeitsintensiv seine Aufgabe ist. Er muß ständig zwischen und hinter den Schafen herlaufen, pfeift und macht Zischgeräusche. Dennoch hat er Zeit für ein Foto.

Die Menschen hier oben in den Bergen sehen anders aus als weiter unten im Tahl. Sie haben sehr freundliche Gesichtszüge, sind dunkelhäutiger, und den einen oder anderen Mann ziert ein dichter Rauschebart.

Regentropfen fallen. Es sind die ersten seit meiner Abreise aus Deutschland. Seit dem ich vor ca. zwei Stunden die Autobahn verlassen habe, sah ich kein anderes ausländisches Auto mehr.

Ein Bach kreuzt immer wieder die enge, kurvige Bergstraße, so geht es über viele Brücken, von denen Dorfjungens angeln. Ob auch ich heute Abend Fisch essen werde?

Lange vor meiner geplanten Ankunftszeit lande ich in Bansko. Ich bin durchaus positiv überrascht. Diversen Quellen entnehme ich, daß für mich das Hotel Pirin in Frage kommt. Ich fahre also hin und stehe wenig später an der Rezeption eines renovierten vier Sterne Hotels. Der Preis beträgt jetzt im Sommer 52 Lev (26€). Nachdem ich mir das Angebot eine Weile überlege, nehme ich das Zimmer. Für bulgarische Verhältnisse ist es sehr teuer, ich aber leiste es mir gerne. Das Haus ist in einem sehr guten Zustand und hätte auch nach deutschem Standart vier Sterne verdient. Mein Zimmer ist fast luxuriös ausgestattet, alles ist neu. Im Preis inbegriffen ist außerdem noch das Frühstück sowie die Benutzung der Sauna und des Schwimmbads. Auch einen bewachten Parkplatz gibt es.

Nach der langen Fahrt freue ich mich auf die Sauna und ein Abendessen. Vorher aber will ich noch ein wenig spazieren gehen. Da mein Hotel direkt im Zentrum liegt, habe ich es nicht weit zu den Sehenswürdigkeiten.

 

Bulgarien Bansko Abends in einer Mehana, spielt eine Combo auf.

Bansko hat ohne Frage etwas alpines. Es ist ein bekannter bulgarischer Wintersportort. Man sagt, er sei schneesicher von November bis April. Ich sehe Liftanlagen und eine komplette touristische Infrastruktur, wie Eisenbahn und Bushaltestellen. Vom Souvenirladen bis zur Wechselstube ist alles vorhanden. Dennoch wirkt der Ort ursprünglich. Es gäbe ihn auch dann, wenn keine Touristen kommen würden, das ist sicher.

Durch offene Tore sehe ich in Handwerksbetriebe. Es gibt Schreiner und Schmied. Bauernhöfe liegen mitten im Ortskern. Ich freue mich auf die nächsten Tage, in denen ich die Stadt erkunden kann.

Das Panorama ist beeindruckend. Ich bin umgeben von hohen Bergen. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich gerne wandern. Dieses Land ist vielseitiger, als ich es mir vorgestellt hatte.

Vereinzelt trotten Kühe von der Weide alleine nach Hause. Sie stören sich nicht an den Menschen . Wenn ich auf der Straße stehenbleibe, machen sie einfach einen Bogen um mich. Sie sind viel weniger schreckhaft, als ich das aus Deutschland kenne.

Nach einem ausgedehnten Spaziergang habe ich den Bahnhof erreicht und dort in Erfahrung gebracht, daß die einfache Fahrt nach Sofia (180 km) sieben Stunden dauert. Ich werde also übermorgen auf den Bus ausweichen, der dieselbe Strecke in drei Stunden schaffen soll.

 

Wieder sitzte ich in einer Mehana, die im Hinterhof eines Privathauses untergebracht ist. Von diesen gibt es in Bansko über 100, und das bei nur 12.000 Einwohnern. Das Essen, das ich bekomme, ist eines der besten meines Lebens!

Ich bestelle luftgetrocknetes Rindfleisch, ähnlich dem bekannten Bündnerfleisch. Dazu einen vorzüglichen Salat aus dem eigenen Garten. Paprikaschoten gefüllt mit Schaftskäse aus eigener Produktion. Alles das, was ich in Deutschland auf dem Wochenmarkt suchen müsste. Ob ich es dann allerdings in dieser Qualität bekommen würde, wage ich zu bezweifeln.

Dazu paßt das Bulgarische Bier „Zagorka“.

Ich kann gar nicht fassen, welch' ein Glück ich habe. Wieso macht die ganze Welt Pauschalurlaub? Ich verzichte gerne auf das „All Inclusive“. Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Ich mag gar nicht daran denken, wie dieser Ort aussehen würde, wenn er überlaufen wäre wie Oberstdorf oder St. Anton.

In den umherliegenden Bauernhäusern steigt Rauch aus den Kamin. Der Duft des verbrennenden Holzes füllt das gesamte Dorf. Wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird es schnell kalt.

Nach zwei Flaschen Bier auf nüchternen Magen bin ich mir nicht mehr ganz sicher was ich zu Essen bestellt habe. Der Kellner bringt ständig neue Köstlichkeiten, der Tisch füllt sich. Eben hatte ich eine Art Fleischrolle mit Gemüse gefüllt und paniert, sehr delikat.

Wie ich so da sitzte und speise, spielt eine Zigeunerband. Sie haben eine kleinen Jungen dabei, der vielleicht vier Jahre alt sein mag. Ich erinnere mich an eine Dokumentation, die ich vor Jahren mal gesehen habe. Es wurde geschildert, wie Zigeuner ihre Instrumente erlernen. Nämlich, daß sie als Kinder mit den Erwachsenen musizieren. So auch dieser Junge. Er hat eine Art Handtrommel, steht in der Mitte, beobachtet alle und schlägt im Rhythmus das Instrument.

Nachdem ich nun wirklich einen sehr schönen Abend verlebt habe und vom Bier leicht berauscht bin, mache ich mir Gedanken darüber, was ich alles noch nicht probiert habe. Bulgarien hat einige kulinarischen Highlights zu bieten, wie zum Beispiel den Schafskäse. Oder aber auch den hiesigen Joghurt, den ich jetzt bestelle.

Der frische Joghurt mit einem Löffel Honig ist der mächtigste, den ich je gegessen habe. Er hat die Konsistenz von saurer Sahne oder Frischkäse, und ich brauche wohl nicht zu erwähnen daß er köstlich ist. Er hat aber auch so gar nichts mit den fabrikproduzierten Milchprodukten gemein, die ich aus Deutschland kenne. Ich glaube, rein Kalorien mäßig könnte das heutige Abendessen eine ganze Armee ernähren.

 

Wie war das doch noch gleich, „...essen wie Gott in Frankreich!“. Ich frage mich, ob der ursprüngliche Autor schon einmal in Bulgarien war? In unserer globalisierten Welt, mit der bekannten Einheitsküche, in der die Burger auf jedem Kontinent gleich schmecken, sind Erlebnisse wie das heutige eine Offenbarung.

Was könnte ich wohl Bulgaren die nach Deutschland kommen, empfehlen oder vorsetzten? Es gibt ja fast nur noch Pizzerien und griechische Restaurants. Gut, in Bayern oder Baden sieht das noch anders aus und auch Berlin hat eine gute Currywurst, ich aber wohne in Nordrhein-Westfahlen, und außer dem Lippischen Pickert fällt mir auf die schnelle nichts ein.

So sitze ich also in diesem Restaurant, denke über diese und andere wichtige Fragen nach und esse meinen hausgemachten Joghurt. So, als wäre das ganz normal.

Mein Mahl ist für hiesige Verhältnisse außergewöhnlich teuer. Ich gebe inklusive eines sehr üppigen Trinkgelds für die Band 13€  aus.

Ziemlich betrunken torkle ich zurück zu meinem Hotel und falle ins Bett.

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Bulgarien Veliko Tarnovo Diese beiden Jungs verfolgten mich durch die ganze Stadt. Gibt es so wenige Touristen, das ich so interessant bin?
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